Die folgenden Zeilen habe ich für einen Wettbewerb geschrieben. Das Thema lautete Trauerbewältigung und sollte in einem kurzen, knackigen Text verpackt werden. Irgendwie hatte ich den Wettbewerb vergessen und auch nie wieder etwas davon gehört. Heute habe ich den Text zufällig entdeckt und möchte ihn veröffentlichen. Möglicherweise hilft er dem einen oder anderen, dafür habe ich ihn geschrieben.
Zehn Jahre hat es gedauert. Zehn Jahre, bis ich verstanden habe, um was es geht, wenn jemand geht. Zehn Jahre habe ich mir gewünscht, dass du da bist, dass wir uns zufällig treffen, wie früher. Zehn Jahre wusste ich nicht, warum es mir dreckig ging. Die Trauer war doch nach einigen Monaten verschwunden. Fünf Jahre habe ich daran gedacht, dass ich nie an deinem Grab war, nie Abschied genommen habe. Ich konnte es damals nicht, war viel zu traumatisiert.
Ich war noch jung. Nicht mein Körper, aber mein Verstand. Alt genug um zu verstehen, was geschehen war und doch zu unerfahren, um zu verarbeiten. Zehn Jahre habe ich mit mir gerungen, konnte dich aber nicht aus meinem Kopf bekommen. Du warst weg und doch noch da. Weder auf Partys, beim Schwimmen noch beim Einkaufen konnte ich dich treffen und doch, warst du bei mir. Ich hatte inzwischen vergessen, dass ich nie an deinem Grab war.
Zehn Jahre hat es gedauert, bis ich an dein Grab ging. Zehn Jahre, bis ich dahinter kam und wusste, um was es geht, wenn einer geht. Denn wenn einer geht, dann soll man ihn lassen. Sich verabschieden und loslassen.
C-L