Hier ein Märchen, dass ich vor einigen Monaten für einen Wettbewerb geschrieben habe. Das Thema war “Glück”. Angelehnt ist das Ganze an die Grimms-Märchen, die ich ein wenig “verunstaltet” habe. Ich finde aber: Für einen Prototyp ist es gut geworden. Viel Spaß beim Lesen:
Es war einmal ein reicher Mann, der im Leben Alles hatte, was er sich wünschen konnte. In seiner Garage standen viele Pferde in verschiedenen Farben und sein Schloss war so groß und prachtvoll, so dass der Pöbel nur davon träumen konnte. Ständig wechselte er seine Frauen und wenn ihm an einer etwas nicht gefiel, schickte er sie zu einem Skalpellmagier, der ihr das schönste Lächeln und das tiefste Dekolleté im ganzen Land zauberte. Der Mann besaß sogar Vögel aus Stahl, die ihn überall auf der Welt hintragen konnten, wo er nur sein wollte. Zudem beschäftigte er viel Personal, damit er sich um nichts kümmern musste.
Eines Abends saß der Mann allein auf seiner großen Terrasse und schaute in die Sterne. Erst vor Kurzem hatte er – wieder einmal – seine holde Maid aus seinem Reich vertreiben lassen. Während er gedankenversunken in den Himmel starrte, wurde er plötzlich sehr traurig. Tränen flossen über seine Backe und tropften auf seine edlen Gewänder. Sein Knecht hörte das Schluchzen, kam auf die Terrasse geeilt und erkundigte sich, was dem Mann Schmerz bereite. Da antwortete der Mann, ohne seine Augen vom Himmel zu nehmen, dass ihm aufgefallen war, dass er, trotz all seinem Reichtum, unglücklich war – und dass dieser Schmerz der Stärkste von allen sei.
Da entgegnete der Knecht mit ruhiger Stimme: „Mein Herr, ihr seid der reichste Mann im ganzen Land, glaub ihr nicht, dass man euch das Glück bringen kann?“ – „Ihr habt Recht, so soll es sein!“ antwortete der reiche Mann. Kurzum zog er seine elektronische Brieftaube aus der Tasche und schrieb seinen drei Assistenz-Knappen einen kurzen Brief: Sie mögen ihm das Glück bringen und dafür reich belohnt werden. Dazu erhielt jeder der Knappen einen Sack voll Goldmünzen und wurde damit in die weite Welt ausgesendet. Die drei Knappen hielten dies für ihre große Chance, ihr eigenes Glück gleich mit zu entdecken und verließen eifrig das Schloss.
Nach einigen Monden kam der erste Knappe zurück. Den Beutel voller Gold hatte er gegen die schönste Frau der Welt getauscht. Sie saß neben ihm in seiner Kutsche und als der reiche Mann sie sah, dachte er sofort: „So wunderschön wie sie ist, sie muss das pure Glück bedeuten!“, und noch am gleichen Tag nahm er sie zur Frau. Für ein paar Tage war der reiche Mann dann glücklich, doch so schnell das Glück gekommen war, so schnell war es wieder verschwunden. Es dauerte nämlich nicht lange, bis er bemerkte, dass sich in der hübschen Frau ein Drachen versteckte, der ihm nichts Gutes wollte, sondern nur sein Geld aus dem Fenster werfen. So ließ er nach kurzer Zeit die Frau wieder aus seinem Reich verbannen und zahlte viele Säcke voll Goldmünzen als Alimente an den Drachen. Den Abend verbrachte er wieder allein auf seiner Terrasse, noch unglücklicher als zuvor.
Dafür, dass er ihn noch tiefer ins Unglück gestürzt hatte, ließ der reiche Mann den Knappen köpfen und seinen Schädel als Warnung auf einen Pflock vor die Stadttore stecken.
Nach einiger Zeit kam der zweite Assistenz-Knappe von seiner Reise zurück. Den Beutel Gold hatte er in ein großes Fest investiert, dass vierzig Tage dauern sollte. So feierte der reiche Mann ausgelassen mit all seinen Bekannten – Freunde, hatte er nämlich keine. Das Bier floss in Strömen und das Essen verzückte jeden Gast. Der reiche Mann wurde umschwärmt von allen Gästen und war glücklich – für vierzig Tage. Sobald das Fest zu Ende war und seine Bekannten wieder nach Hause gegangen waren, saß er abends wieder allein auf seiner Terrasse, grübelte vor sich her und starrte in den Himmel. Weil er sich so einsam fühlte, fiel er sofort wieder in sein Unglück zurück und begann bitterlich zu weinen.
Aus Empörung darüber, dass ihn der Knappe noch tiefer ins Unglück gestürzt hatte, lies er ihn köpfen und seinen Schädel neben dem, des ersten Knappen aufstellen.
Es vergingen nochmals einige Monde, bis der dritte Knappe wieder zum Schloss zurückkehrte. Er kam allerdings mit leeren Händen und trug auch sonst nichts bei sich, dass er dem reichen Mann hätte geben können. Als der Reiche den Knappen fragte, was er mit dem Gold angestellt hatte, sagte der Knappe: „Ich habe es an das arme Volk verschenkt!“ Darauf empörte sich der reiche Mann und ließ den Knappen augenblicklich den Kopf abhacken. Sein Schädel wurde auf den längsten Pflock von allen gesteckt und zur Schau gestellt.
Es dauerte ein paar Tage, doch dann hielt die gelbe Postkutsche am Schloss des reichen Mannes an. Sie brachte Botschaften von überall aus dem Land und der reiche Mann staunte nicht schlecht. Für gewöhnlich erhielt er kaum Briefe und neugierig öffnete er einige davon. Die Menschen aus dem arme Volk schrieben ihm Nachrichten, in denen sie sich für seine Spende bedankten und ihm sagten, dass sie nur wegen seiner jetzt besser leben konnten. Viele schrieben, dass sie mit dem Geld Krankheiten besiegen, die Kinder auf gute Schulen schicken oder sich selbst einen lang ersehnten Traum erfüllen konnten. Das freute den reichen Mann und er bemerkte etwas an sich, dass er kaum kannte: er lächelte. Mit jedem der gelesenen Briefe wurde das Lächeln des Mannes breiter und breiter. Von da an hielt die gelbe Kutsche jeden Tag an dem prächtigen Schloss und brachte immer mehr solcher Nachrichten vom Volk. Die Abende, die der reiche Mann sonst immer traurig und allein auf seiner Terrasse verbracht hatte, nutzte er jetzt zum Lesen und wurde dabei glücklicher und glücklicher. „So muss sich das Glück anfühlen!“ sagte er leise zum Himmels und wurde doch wieder traurig.
Schlagartig realisierte er, dass er den Einzigen, der ihm Glück gebracht hatte, getötet hatte und er schämte sich dafür in Grund und Boden. Um Reue zu zeigen, zog er am nächsten Tag selbst aus und tat es dem dritten Knappe gleich: Er verschenkte sein Geld. Keinen einzigen Abend verbrachte er daraufhin allein. Überall wurde er vom Volk eingeladen – ob er bei ihnen schlafen wolle, Hunger oder Durst hatte oder wie man ihm sonst helfen konnte. Für den reichen Mann war das neu und sein Glück wurde größer und größer.
Auf seiner Reise durch das Land erlebte er viele Abenteuer, lernte das arme Volk kennen und lieben und schlussendlich traf er eine holde Maid, die ihm nicht nur von außen gefiel, sondern auch von innen hübsch war. Eine, mit der er reden konnte und seinen traurigen Abenden auf der Terrasse ein Ende setzen. Mit ihr konnte er sein Glück teilen und es wurde damit noch größer. So lebten die beiden glücklich, verschenkten ihr Geld und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Und die Moral von der Geschicht´: Wegen des eignen Glücks Andere köpfen – bringt es nicht! Doch von nah und fern hört man sie schrein´ – wenn mal ein Köpfchen rollen muss, dann soll es wohl so sein! Das Glück ist jedoch ein zartes Wesen, wer zu viel danach sucht, sucht meistens vergeben. Man könnte schon meinen es ist ein Betrug, denn es ist meistens bei Leuten, die sagen: Ich habe genug. So ist das Glück nicht gebunden an Geld oder Macht, sondern an das, was man aus seinem Leben macht.
Wer jedoch das Glück gefunden hat, der sollt es teilen – und sich damit vielleicht sogar ein bisschen beeilen. Man kann schließlich nie wissen, wann man den eigenen Kopf verliert – beschissen!
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C-L